Mit meinem Kumpel Holger, der mich aus Deutschland besuchte (nein, nein, das ist er nicht; der Lover kommt noch), reiste ich nach Santa Marta, um von hier aus in die Lost City zu starten. Es ist kein einfacher Trekk – Berg rauf, Berg runter, durch den Dschungel, durch den Schlamm – und wir waren super nervös: in 4 Tagen legt man 46km zurück, das Wetter ist unbeständig und mit ein bisschen Pech, ist man 4 Tage lang klitschnass mit schwerem Gepäck auf dem Rücken unterwegs. Egal! Wir wollten es machen! Schließlich sind wir keine Weicheier!
Am nächsten Morgen waren wir im Reisebüro fest entschlossen die 750.000 Pesos (220€) für den Trekk hinzulegen und gleich zu starten. Wir wollten es! Wir wollten es unbedingt! Aber das Universum wollte es nicht!
Manchmal kommt es anders als man denkt
Kaum hatten wir unsere Pesos gezückt, sagte man uns, der Lost City Trekk ist wegen Reinigungsarbeiten geschlossen!! Ernsthaft jetzt??! Was für ein Reinfall! Der nette Verkäufer bot uns stattdessen Punta Gallinas, den nördlichsten Punkt Südamerikas als neues Ausflugsziel an. Auch dieser ‚Trekk‘ ist eine 4-Tages-Tour, kostet aber nur 580.000 Pesos (170€) und statt 4 Tage lang zu wandern, legt man die Strecke im Jeep zurück. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet, aber Punta Gallinas war unsere einzige Alternative für ein mehrtägiges Get-away, also: let’s get on the way! Die Tour startete allerdings nicht von Santa Marta, sondern von Riohacha, so dass wir nochmal 35.000 Pesos (10,25€) für den Transport bezahlen mussten.
Auf die Plätze, fertig, schnarch!
Am nächsten Morgen um 4:30 Uhr ging es los. Ich habe extra 2 Wecker gestellt und keinen von beiden gehört. Zum Glück rüttelte mich meine innere Uhr 10 min vor Abfahrt wach und wir rannten zum Wagen nach Riohacha. Das war knapp.... In Riohacha lernten wir zwei Paare kennen, die mit uns den Jeep teilen würden. Eines der Paare kam mir verdächtig bekannt vor, aber ich konnte es nicht zuordnen. Ich grübelte verbissen vor mich hin, bis der junge Mann, den ich verkniffen fixiert hatte auf mich zukam und sagte, „Hey, dich kenn‘ ich vom letzten Jahr – aus Thailand … Khao Sok!“ Boah! Das stimmte! Wir hatten uns beim Reisen kennengelernt und trafen uns nun wieder: Anderer Kontinent, anderes Land, anderer Vibe, gleiche Leidenschaft: Reisen! Ich liebe das Traveler-Leben! Jeder Reisende, dem man begegnet, geht seinen eigenen Weg und macht sein Ding. Und irgendwo auf der großen, weiten Welt trifft man sich wieder. Das passiert mir tatsächlich häufiger und ich bin immer wieder erstaunt über die Wege des Universums, die uns „zufällig“ unerwartet zusammenführen.
Endlich ging es los: Erster Halt: Tankstelle. Oder zumindest ein Ort, an dem Benzin irgendwie gelagert wird. Nächster Halt: Ein Lebensmittelladen in Uribia, der Hauptstadt der Einheimischen. Hier empfehle ich dich mit Snacks und Wasser für die Einheimischen einzudecken. Dann ging es wirklich los und wir fuhren Richtung Cabo de la Vela. Die Fahrt war lang und wunderschön.
Wir düsten durch kakteengesäumte Wüstenlandschaften und an Hütten vorbei, die einsam und trotzdem bewohnt mitten im Nirgendwo standen. Es war traurig zu sehen, wie Kinder auf die Straße rannten, um uns anzuhalten und um Essen zu betteln. Teilweise errichteten sie Sperren aus Seilen, die über die Straße gespannt waren, damit wir ja anhalten. Die meisten Sperren hat der Guide 'durchbrochen', aber manchmal konnten wir ihn dann doch zum Anhalten bewegen.
Mein erstes Mal in einer Hängematte
Um 12:30 Uhr kamen wir an unserer ersten Station an: einem Camp der Wayuu in Utta. Jeder suchte sich eine Hängematte aus. Ich freute mich schon auf die erste Nacht, da ich noch nie die Gelegenheit hatte eine ganze Nacht in einer Hängematte zu verbringen. Nach einer Stärkung ging es allerdings erst mal zum Arco-Iris Strand in Cabo de la Vela. Stell dir jetzt aber bitte keinen typischen Strand vor. Wir sind nach wie vor in der Wüste, die ans Meer grenzt, mitten im Nichts, mit Sand, Steinen und einem kleinen Berg, den man besteigen kann. Auf dem Berg ist es soooo windig, dass man aufpassen muss, nicht heruntergeweht zu werden. Die Aussicht ist allerdings geil! Meer, Wüstensand, Dünen und Kakteen. Es ist einfach wunderschön und ich bin ziemlich froh, dass wir uns für diese Tour entschieden haben! Also, Universum….Ich glaube, dass du einen ziemlich guten Plan für mich parat hältst!
Die Nacht in der Hängematte war erstaunlich gemütlich. Ich habe mich gefühlt wie ein Schmetterling in einem Kokon. Ich glaub Holger hat sich auch wie ein Schmetterling gefühlt. Allerdings eher wie in einem Spinnennetz...
Am nächsten Morgen ging es sehr früh wieder weiter – uns stand eine längere Fahrt nach Punta Gallinas bevor. Wir fuhren weiter und je weiter wir fuhren, desto mehr staunte ich über die atemberaubend schöne Landschaft. Ich konnte mich gar nicht satt sehen – und den Mund bekam ich vor lauter Staunen auch nicht mehr zu. Wir machten an einer großen Sanddüne Halt, krabbelten nach oben und genossen die Aussicht – der Sand wehte sanft um unsere Knöchel, unter uns glitzerte das Meer, um uns herum unzählige Kakteen. Die Wüste hat etwas einmalig Hypnotisches und hier spürt man diese Wirkung ganz besonders.
So brachte mich mein Lover zum Höhepunkt
Nachdem uns das Meer aus der Ferne bezirzt hat, ging es für alle einmal rein ins kühle, kristallblaue Wasser, bevor wir gegen Mittag das zweite Camp ansteuerten. War ich bisher von der Wüste nur begeistert, verliebte ich mich hier für immer in sie: Von glühendem Sand umgeben, liegt das Camp am Rand einer Klippe, mit dem Meer darunter und dem Himmel über uns. Kann es schöner sein? Mein Gehirn war von den ganzen Eindrücken in ständiger Ekstase. Zu Fuß machten wir uns schließlich auf nach Faro Punta Gallinas, den nördlichsten Punkt Südamerikas! Von hier wollten wir den Sonnenuntergang bewundern. Beinahe hätte ich ihn verpasst, weil ich auf dem 45 minütigen Fußmarsch so beschäftigt damit war meinen neuen sandigen Freund zu genießen und Fotos von ihm zu machen, dass ich darüber völlig die Zeit vergaß. Das muss Liebe sein!
Wann läuft es mal je nach Plan?
Nach einer weiteren sternenbesprenkelten Nacht mit meinem neuen Lover sollte es nach dem Frühstück gemütlich mit dem Boot zu einer Insel gehen. Doch plötzlich bekamen wir die Anweisung schnell unsere Sachen zusammenzupacken, sie in den Jeep zu schmeißen und schleunigst mit dem Boot zur Insel zu fahren. Warum nur? Eigentlich wollten wir hier 2 Nächte verbringen... Der Grund für den überstürzten Aufbruch war folgender: Einige Einheimische haben Straßenblockaden errichtet, um Geld von Durchreisenden einzutreiben. Damit wir hier nicht 'gefangen' bleiben, hat unser Guide beschlossen die Zone sofort zu verlassen.
Wir bestiegen das Boot und düsten los. Nach etwa 10 Minuten sahen wir ein anderes, vollbesetztes Boot mitten auf dem Meer treiben. Der Motor war kaputt und es trieb hilflos vor sich hin. Zunächst versuchten wir es mit einem Seil abzuschleppen, aber das Seil riss. Also Plan B: Wir halfen den anderen in unser Boot zu steigen und fuhren gemeinsam ans Ufer. Eine gute Tat an jedem neuen Tag, pflegt jeder Pfadfinder zu sagen! Auf der Insel angekommen, konnten wir die restliche Zeit unbeschwert genießen und die Gegend erkunden.
Der Kolumbianer würde jetzt sagen: Que mierda!
(Was für eine Scheiße!)
Nach dem Mittagessen ging es zurück zur ersten Unterkunft. Die Fahrt sollte 2 Stunden dauern, aber…. es kam alles anders….
Du weißt ja, dass es in einer Wüste auch mal regnen kann. Selten.... aber ich hab immer solches 'Glück'. Wenn es regnet, wird das Wasser zum großen Teil nicht von der Erde aufgenommen, sondern sammelt sich an manchen Stellen zu ganzen Teichen zusammen. Die Straße wurde zu einer Mischung aus Matsch und Lehm und der Jeep kam an seine Grenzen. An einer Stelle hatte sich durch den Regen ein riesiger See gebildet. Unser Guide stand kurz vor der Verzweiflung und schlug einen 3 stündigen Umweg ein. Nach 2 Stunden auf dem Umweg dann das gleiche Problem: In einem Tal hatte sich ein Fluss gebildet und nun waren wir quasi gefangen. Sind wir nicht gerade erst davor geflohen ‚gefangen‘ zu sein? Hmm …. Was jetzt? Wir hatten keine Wahl. Wir mussten durch den Fluss. Dazu musste der Wagen leichter werden. Also: alle raus und zu Fuß durch den Matsch. Unser Guide setzte zurück, ließ ein paar Mal den Motor aufheulen und raste mit vollem Karacho durch den Fluss. Steine, Schlamm und Wasser wurden in alle Richtungen geschleudert, der Jeep schlitterte gefährlich nach links und rechts…und blieb hinter einem Hügel sicher stehen. Wir stapften barfuß hinterher. Schmutzig und müde kamen wir nachts dann endlich an unseren Schmetterlings-Kokons aka Hängematten an.
Jetzt wirds (Ein)heimisch.
Der letzte Tag brach an und wir hatten noch einen Programmpunkt offen: der Besuch einer einheimischen Wayuu-Familie. Die Familie zeigte uns, wie die Wayuu Hängematten knüpfen, erzählte von ihrem Leben und zeigte uns ihre Bräuche. Am Ende durften wir sogar am Stammestanz teilnehmen und wurden mit standesgemäßer Gesichtsbemalung herzlich verabschiedet. Die Mädels der Familie hatten einen Narren an mir gefressen und baten mich, doch bitte wieder zurückzukommen: ich sei bei ihnen ab jetzt immer zu Hause! Es scheint, als hegte nicht nur ich diese tiefen Gefühle für meinen Wüstenlover. Ich bin der festen Überzeugung, er hat mir durch die Mädels ausrichten lassen, wie er für mich empfindet.
So gehen 4 wundervolle Tage voller neuer Eindrücke, neuer Freunde und einer neuen Liebe zu Ende.
Liebes Universum, danke, dass Lost City geschlossen hatte :)
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Holger (Sonntag, 27 Mai 2018 18:41)
Corinna! Ich liebe dich auch nicht! :D Sehr schön geschrieben und erstaunlich, dass du dir die ganzen Namen und Orte merken konntest. Ansonsten alles richtig und mit richtigem Fokus auf die wichtigen Momente. Die Szene im Schlamm wird mir wohl ewig nachhängen. :D Und ohne dich wären diese einmaligen Momente für mich nie möglich gewesen - vielen Daaank!!